Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Beck, Johann Conrad (1694-1748)[1]
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1699-1763)
Ort Nürnberg
Datum 23. September 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 180-183
Transkription Hans Gaab, Fürth

Hoch Wohlgebohrner, Gnädiger Herr.

Auf erhaltenen Befehl von S.T. Herrn Grundherrs[2] Gnaden, daß ich das jenige, was ich mit dem in Einem Verhafft liegenden Johann Philipp Andreae gesprochen, schriftlich aufsetzen soll, habe folgendes geziemender maßen berichten sollen und wollen.

I.

Wer Autor oder Inventor von der bewusten Medaille seÿe, kan Er beÿ seinem Gewißen, und beÿ seiner Selen Seeligkeit nicht sagen, wann man ihm auch den Hencker und Löwen unter die Augen stelle, oder gar mit der Tortur belegen wolte: Die Sache wäre ihm von Schwabach aus committiret worden, und zwar Anfang ohne Inscription; Nach der Zeit aber mit der harten und pasquillantischen Inscription. Er sagt anbeÿ, wann man Ihn nur die Freÿheit auf dreÿ Tage ließ, und zwar mit der Contestation und Versicherung, daß er sich, nach Verfließung derselben, gewiß wiederum in hiesiger Obrigkeit Gewalt und Gehorsam begeben würde, Er wollte verschaffen, daß sein Antagonist, N. Glück[3] zu Schwabach in Arrest genommen würde, da man alsdann beÿ seiner Examinierung unterschiedenes in Erfahrung bringen würde.

[Blatt 181]

II.

Er hab zwar einen Argwohn auf einen gewißen Bürger allhier, der unter einen verdeckten Nahmen mit besagtem Glück correspondiret; Es wäre aber sein Argwohn nicht gegründet, und könne er mit Bestand der Warheit denselben nichts zeihen, vielweniger denselben überweisen.

III.

Beklagte Er sich gar sehr gegen mich, daß man ihm, seine Defension oder Vertheidigung zu führen, rotunde abgeschlagen hätte.

IV.

Beschwerte Er sich, daß man ihm nicht erlaubt habe, persönlich an den Herrn von Seckendorff[4] zu schreiben, sondern Er habe nur an seine Ehegattin schreiben müßen, welche die Sache dem Herrn von Seckendorff beÿ seinem lezten Hierseÿn mündlich hinterbringen solte, der ihm dann durch seine Frau zur Antwort ertheilen laßen, Er würde deßen Schreiben schon beantworten, und die Sache nach aller Möglichkeit besorget haben.

V.

Da ihm von mir (wie ich auf dem Rathhause gehört hätte) mit dem Lochgefängnuß gedroht wurde, gab er mir beherzt zur Antwort: Wann ihm seine Obrigkeit heute noch ließ hinabführen, und Ihnen mit seinem wenigen Blut gedient würde, so wäre er willig und bereit Folge zu leisten; Es würde aber seine Unschuld ehistens ans Tages=Licht kommen.

[Blatt 182]

VI.

Da ihm ernstlich und nach Vermögen zugeredet wurde, Er solte Gott zuförderst und dann der hohen Obrigkeit, die Ehre geben, die Warheit aufrichtig und offenherzig zu bekennen, und anzeigen, was Er noch in und auf seinem Herzen hätte, damit Er nicht wieder, wie bißhiehero in denen meisten Puncten geschehen, mögte überzeugte und überwiesen werden, bliebe Er beständig dabeÿ, Er wüßte nicht das geringste mehr, als was Er bißhero seinen beeden Herren Schöpffen Gn. Gnaden mündlich, wie auch Herrn Volckamers[5] und Herrn Ebners[6] Hochherrl. Gn. Gnaden, schrifftlich, gesaget und entdecket habe; Wann Er auch die entsetzlichste Marter darüber austehen, oder aber einen schmählichen Gang gehen müßte.

VII.

Bitte Er aus demütigste um eine baldige Erlaßung und Befreÿung, da Er bereits schon in die 16. Wochen in einem elenden und miserablen Loch gefangen sizet; Sonsten würde man innerhalb 8. Tagen etwas besondres von ihm erfahren.

VIII.

Bittet Er endlich auch um seine Brieff=Tasche[7], worinnen seine anstehenden Schulden aufgezeichnet stehen, damit er solche seinem Weibe noch vor seinem Ende, weilen die Bilder=Männer anjezt ab= und zureisen, anzeigen und zustellen könnte.

Dies alles habe ich in geziemender Observanz berichten wollen.

Nürnberg, den 23. Sept.
1733.

Johann Conrad Beck,
Diac. Laur.


Fußnoten

  1. Johann Conrad Beck (1694-1748) war seit 1725 Diakon bei St. Lorenz. Vgl. Simon, Matthias: Nürnbergisches Pfarrerbuch. Nürnberg 1965, S. 20, Eintrag 77.
  2. Karl Sigmund Ferdinand Grundherr (1694-1763) war seit 1731 jüngerer Bürgermeister. 1732 wurde er Rugherr, wobei das Rugamt für die Handwerker der Stadt zuständig war. Als jüngerer Bürgermeister hatte er auch abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 485-491
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
  3. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  4. Christoph Friedrich von Seckendorff (1679-1759) war 1714 zum Geheimrat in Diensten des Ansbacher Markgrafen ernannt worden. Auf dem von ihm erhaltenen Portät wurde er auch als Baron bezeichnet.
    Neue Deutsche Biographie, 24 (2010), S. 119-120 (Verfasser: Gerhard Rechter).
  5. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war seit 1704 Alter Genannter im Rat, 1708 wurde er Ratsbaumeister. 1713 wurde er älterer Bürgermeister, 1732 dritter Oberster Hauptmann. 1736 wurde er zum zweiten Losunger gewählt, 1744 wurde er vorderster Losunger.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 1060-1062
    Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.
  6. Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752) war seit 1729 Leiter des Vormund- und des Almosenamts wie auch Kirchenpfleger.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen, Band 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 372-374.
  7. Zu Andreaes Brieftasche vgl. den Brief vom 21.09.1733.