Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Andreae, Johann Philipp (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1694-1763)
Ort Nürnberg
Datum 24. September 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 190-194
Transkription Hans Gaab, Fürth

Wohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Den leibl: Artzt habe ich zwar niemahlen begehrt, indeme schon so viel in der Welt gelernet, daß mich im Notfall selbsten curieren könte, jedoch erstatte ich vor die grosse Sorgfalt eines biß in den Todt gekränkten gefangenen Manns unterthänigsten Danck ab, und wünsche, daß der liebe Gott Euer Wohlgebohren und Gnaden in andern davor seegnen wolle. Den Geistl: Medicum habe endlich einmahl erlangt, und ist Er vorgestern beÿ mir gewesen,[1] unter andern aber gemeldet wie Euer Wohlgebohrn und Gnaden Ihme gesagt, daß ich die andern, nemlich den Bernd und Brennauer[2], zu Elaborierung deß Pasquillantischen halben bogen animiert, welches aber weder Bernd und Bernnauer sagen kan, weilen der erstere keines animierens gebraucht, indeme Er jeder zeit gerne geld verdient, und ich auch dieser Verfertigung halber nicht 10: wort mit Ihme geredet, Er wirds auch ohne Verletzung des Gewissens nicht sagen können, der Bernnauer hingegen hat ja beÿ der Confrontation in beÿseÿn beeder General Schöpfen Hl: Wohlgebohrn und Gnaden[3] und Hl: Ledermüllers[4] deutlich genug sich vernehmen lassen, daß ich Ihme zu dieser Medaillie nicht animiert, welches hoffentlich ad Protocollum wird genommen worden seÿn, und habe ich ihn auch nicht animieren können indeme Er vorhero schon dem Bernd die Probtrucke gemacht, ehe ich ein einiges wort mit Ihme gesprochen, fällt also diese Beschuldigung vor mir auf solche art von sich, selbsten weg; Weiter hat er mir gemeldet, daß Euer Wohlgebohrn und Gnaden gesagt hätten wegen deß an dem Rathhauß angeschlagenen Pasquills, daß man mich im Verdacht hätte, absonderlich weilen just die Höhe meiner Grösse observiert worden; dieses von mir abzuleinen ist gar keine Kunst nicht, indeme ich mit genugsamen Ehrlich honetten zeugen darthun kan, daß ich nicht alhier gewesen, und zwar erstl: in Würtzburg bej Hl. Pater Augustin Duffus[5] Ord: Sti. Bened: in dem Schotttenkloster, woselbsten ich in 3: wochen beÿ Ihme gewesen, eben daselbst in dem Kleebaum[6], alwo ich logiert, weiter daselbst in dem Jesuiten Collegio beÿ allen Patribus, von da in Schweinfurth, in dem Posthauß beÿ der Sonnen[7], von Schweinfurth in Bamberg beÿ dem Schwartzen Rößl: in Bayreuth beÿ der cronen, und beÿ Hl. Flessi[8], SchuhlRector: inter dieser zeit ist diese affaire passiert, beÿ meiner nach Hauß Kunfft kam deß andern tages frühe der Hubert[9] wie in meinem vorigen schon gemeldet, diese Persohnen können hoffentl: noch so viele wahrheit reden, daß es doch genugsam seÿn kan, eines armen Unschuld zu retten und zudeme gibt es noch mehr grosse leuthe hier, die deß Rathhauses besser kundig sind als wie ich, ex. gr. der Schütz not.[10] wird mir nichts nach geben in der grösse, der verstorbene Kittler[11] auch nichts, unter den Kauffleuthen sind auch grosse leuthe, könte also ehender der argwohn auf diese fallen, weilen ich dazumahl gar keine connaisance[12] mit solchen gehabt; Wann ich aber recht kaufmännisch reden solle, so sagen diese Ein HochEdler Magistrat hätte es selbsten thun lassen, umb sie als rebellen darzu geben, und sie gehörigen orts anzuschwärtzen: Solte deß truckers aussage wie oben gemeldet, daß ich Ihme nicht animiert, nicht protocolliert seÿn, so ersuche es noch thun zu lassen, damit mir dadurch nicht wehe, und einem andern wohl geschehe, wenigsten werden solches Euer HochWohlgebohrn und Gnaden nebst dem Protocollisten selbsten deutlich ex ore suo[13] vernommen haben.

[Blatt 191]
Auch sagte Hl: Beichtvatter, daß ich die Medaillie selbsten eingepackt solte haben und nach Leipzig spediert welches aber ebenfals sich anderst befindet, und laut meiner so wohl gethanen mündl: als schrifftl. aussage sich verhält, neml: daß der Glück[14] das Päckl. verpittschiert[15] in den Gostenhoff gesandt, ich aber so dann erst den Brieff darauff gethan. Ich versichre auch hiermit nochmahlen Euer Wohlgebohrn und Gnaden, daß ob ich gleich zu meiner höchsten Praejudiz gelaugnet, jedoch so dann in meinen Aussagen nicht gelogen, welches auch jederzeit vor Gott verantworten will; und darffen sich auch fest darauf verlassen, daß in keinem einzigen bericht, die unwahrheit gemeldet, ausser daß ich solches nicht bezeugen kan: Gegenwärtigen Einschl: Ersuche ohnschub[?] Euer Gnaden Herrn Volckamer[16] einzuhändigen, indeme nur noch etwas weniges beÿgefallen, so ich zu melden nicht habe unterlassen können umb mein gewissen nicht zu beschwehren, wollen Euer Wohlgebohrn und Gnaden dabeÿ meinen dermahligen nothstand nochmahlen vortragen und vor mich intercedieren[17], so wirds Gott in andern vielfältig ersetzen, ich aber werde in stetem unterthänigsten Respect seÿn

WohlGebohrner Gnädiger Herr

dero

é Carcere den 24: 7bris: 1733:

untergebener
Johann Philipp Andreae.


P:S: Euer WohlGebohrn und Gnaden wollen nicht ungnädig aufnehmen, daß mir diese Fehler passiert, und mit einer solchen handschrifft erscheine, es ist mir eben, da der Brieff fertig Haemorrhagia[18] angekommen, und weilen nicht im stande bin so lange in der höhe zu bleiben, so habe den Brieff der Eisenmeisterin gleich mitgegeben, sonsten diesen nochmahls abgeschrieben, dahero nochmahlen diesen fehler zu excusiren unterthänigst bitte, oder hat es vielleich fatalis eventus seÿn müssen, umb auf zu zeigen, daß solches mit meinem Blut bezeichnet und bekräftiget seÿe.

[Seite 193]
Ich liesse umb der blutrünstigen Wunden Jesu willen durch die frau nochmahlen bitten, wann ja die Sache noch kein Ende erlangen könne, die Gnädigen Herren Schöpfen sollen mit Hl: Volckamern und Hl: Ebners[19] Wohlgebohren u. Gnaden sprechen nur 2: oder 3: tag zeit zulassen, damit nach Schwabach mit einem Ehrlichen Verpflichteten Mann reisen, und daselbst zur rettung meiner Unschuld und Erforschung deß wahren Thäters die Sache beÿ dasigen Oberamt zu suchen. Ich wolle mit keinem menschen alhier kein einziges Wort reden, sondern alsobald mit einem mir zugegebenen Mann hinauß, und auch wieder in vorheriger bestimmten Zeit in seinem Arrest verharren. Ich bin auch erbietig hierüber 2: Ehrl: Burger zu caventen[20] zu stellen, hoffentl. wird ja Ein HochEdler Rath noch so viel Barmhertzigkeit gegen mich armen fast in Agonie liegenden, gefangenen Mann haben, und mir diese weinge Gnad zu Rettung meines Lebens und Unschuld angedeÿhen lassen, weilen man dem Trucker auch Gnädig gewesen. Solte aber diese kleine Elende bitte auch nicht erhört werden, so bitte ich am Montag frühe umb eine halbstündige Anhörung meiner letzten Noth;


Fußnoten

  1. Johann Conrad Beck (1694-1748), der seit 1725 Diakon bei St. Lorenz war, war bei Andreae gewesen. Vgl. seinen Bericht an Grundherr. Vgl. Simon, Matthias: Nürnbergisches Pfarrerbuch. Nürnberg 1965, S. 20, Eintrag 77.
  2. Laut seines ersten Verhörs am 18.07.1733 war der Kupferdrucker Abraham Brennauer (Bronauer, Brünauer) war 35 Jahre alt, wohnte in der Katharinengasse, war verheiratet und hatte ein Kind. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 35.
    Er hatte am 12.02.1725 geheiratet: "d. 12. Febr. [1725] Der Ers. Abraham Brunnauer, Kuferdrucker, des Ers. und Kunstr. Eberhard Brunnauer, Messerschmidts Ehel. [Sohn] die Tugendsame Jgfrl. Anna Catharina, des Ers. Georg Hofmanns, Rothgießers und Verlegers Ehel. Tochter. Frühmeß", Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 970 (Scan 599). Am 06.01.1727 wurde die Tochter Maria Magdalena geboren, Taufen St. Lorenz 1713-1735, S. 108 (Scan 54).
    Zu ihm siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 185.
  3. Die beiden Schöffen waren Carl Sigmund Ferdinand Grundherr (1694-1763) und Johann Carl Löffelholz (1673-1756).
    Grundherr war seit 1731 jüngerer Bürgermeister. 1732 wurde er Rugherr, wobei das Rugamt für die Handwerker der Stadt zuständig war. Als jüngerer Bürgermeister hatte er auch abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 485-491
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
    Löffelholz wurde 1733 jüngerer Bürgermeister, womit er abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen hatte, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 689
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
  4. Balthasar Ledermüller (?-1748) war Schöpfenamtsschreiber und später Rugschreiber. Vgl. Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 2. Nürnberg 1756, S. 415 sowie Nopitsch, Christian Conrad: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 6. Altdorf 1805, S. 282.
  5. Der Benediktiner Augustin Duffus (1699-1753) wurde 1739 Abt im Schottenkloster. 1743 gab er eine kleine Schrift anlässlich der Einweihung des Klosters in Münster-Schwarzach heraus.
  6. Vermutlich der Hof zum Kleebaum in der Würzburger Altstadt.
  7. Möglicherweise das frühere Gasthaus zur Sonne in Schweinfurt.
  8. Vermutlich Johann Adam Flessa (1694-1775). Ab 1717 war er Rektor am Gymnasium in Zweibrücken. Allerdings kehrte er bereits 1724 als Professor für Geschichte und Mathematik ans Gymnasium in Bayreuth zurück.1728 wurde er Hofdiakon, 1731 Professor für Theologie.
  9. Hubert scheint Hausverwalter in Nördlingen gewesen zu sein.
  10. Der Notar Andreas Christian Schütz wurde am 01.03.1741 bestattet. Nach dem Eintrag bei seiner Bestattung wohnte er im Heldengäßchen. Bestattungen St. Sebald 1741-1754, S. 9 (Scan 32).
  11. Johann Georg Kittler schrieb sich 1706 an der Universität in Altdorf ein. 1732 war er Prokurator am Nürnberger Untergericht. Im Verhör von Andreae vom 3. Juli 1733 wurde Kittler als Prokurator bezeichnet, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 200. Kittler wurde am 30.03.1733 bestattet, Bestattungen St. Sebald 1732-1740, S. 61 (Scan 49), Nr. 65.
  12. connaisance (fr.): Bekanntschaft.
  13. ex ore suo: aus seinem eigenen Mund.
  14. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  15. verpittschiert: versiegelt.
  16. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war seit 1704 Alter Genannter im Rat, 1708 wurde er Ratsbaumeister. 1713 wurde er älterer Bürgermeister, 1732 dritter Oberster Hauptmann. 1736 wurde er zum zweiten Losunger gewählt, 1744 wurde er vorderster Losunger.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 1060-1062
    Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.
  17. intercedieren: sich verwenden.
  18. hamorrhagia: Blutung.
  19. Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752) war seit 1729 Leiter des Vormund- und des Almosenamts wie auch Kirchenpfleger.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen, Band 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 372-374
  20. Cavent: von lat. cavere: Bürgschaft leisten.