Galilei und Marius


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... zum Bau eines Fernrohrs benötigt werden. Im Übrigen ersetzte Galilei selbst im Saggiatore von 1623 diese profunden Kenntnisse durch eine Begründung, die er selbst eine "discorso assai facile" [sehr einfache Überlegung] nannte. Er sagte:[1] "Meine Überlegungen waren folgende: Entweder besteht dieses Gerät aus einem einzigen Glas oder aus mehr als einem. Aus einem allein kann es nicht bestehen, denn dieses müsste entweder konvex sein, d. h. dicker in der Mitte als zu den Rändern hin, oder konkav, d.h. zur Mitte hin dünner, oder parallele Oberflächen haben. Aber die letztgenannte Anordnung ändert Objekte hinsichtlich ihrer Vergrößerung oder Verkleinerung nicht; das Konkave verkleinert, das Konvexe vergrößert, das ist wahr, aber es zeigt die Objekte undeutlich und unscharf. Ein einziges Glas reicht also nicht aus, um den gewünschten Effekt zu erzeugen. Es müssen also zwei sein, wobei, wie erwähnt, ein ebenes Glas nichts ändert. Daraus schloss ich, dass ein solches Glas kombiniert mit einem der beiden anderen, den gewünschten Effekt ebenfalls nicht bewirken könne. Damit blieb mir nichts anderes übrig, als herauszufinden, was die Kombination eines konvexen und eines konkaven Glases ergeben würde, und wie Sie sehen, führte mich dies zum Erfolg. Und das waren die Schritte bei meiner Erfindung, wobei ich mich nur auf korrekte Schlussfolgerungen stützte und keine andere Hilfe hatte."

Diese letzte Bemerkung bezieht sich auf eine merkwürdige Argumentation, mit der Galilei zeigen wollte, dass der Verdienst eines Nacherfinders größer sein kann als der des Ersterfinders. Die Lösung eines Problems zu finden, das bekannt und festumrissen ist, erfordere ein größeres Genie als ein bislang unbekanntes und nicht näher festgelegtes Problem zu lösen, weil in diesem Fall der Zufall eine sehr große Rolle spielen kann,[2] während im ersten Fall die Lösung ausschließlich auf Denkarbeit beruht.

Wenn wir in dieser einfachen Überlegung die rhetorischen Figuren beiseite lassen, die in den akademischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit üblich waren, dann verbleibt, dass eine konvexe Linse vergrößert, aber unscharf abbildet, während eine konkave Linse verkleinert. Doch die Argumentation, die Galilei als die seine ausgibt, enthält nichts Neues. Das war mit den gleichen Worten schon von Giambattista Porta in seiner Magia naturalis gesagt worden, die schon einige Jahre vorher erschienen war.[3] Porta fügte hinzu, dass eine konkave Linse nicht nur verkleinert, sondern auch ...


Fussnoten

  1. [Anmerkung des Bearbeiters] Eine gekürtzte deutsche Übersetzung dieser Stelle findet sich in:
    Wolf, Rudolf: Geschichte der Astronomie. München: Oldenbourg 1877, S. 312 Fußnote 4.
    Eine vollständige englische Übersetzung findet sich in:
    Galilei, Galileo; Grassi, Horatio; Guiducci, Mario; Kepler, Johannes: The controversy on the Comets of 1618. Übersetzt von Stillman Drake und C. D. O'Malley. Philadelphia: University Press 1960, S. 213. [Im pdf hiervon auf S. 8]
    Im italienischen Original:
    Galilei, Galileo: Il Saggiatore. Rom: Giacomo Mascardi 1623, S. 63f.
  2. Hervorhebung von uns.
  3. [Anmerkung des Bearbeiters] Porta, Giambattista della (1535-1615): Magia Naturalis. Neapel: Cancer 1558. Das Werk wurde mehrfach nachgedruckt, der Link zeigt auf die Ausgabe aus Antwerpen von 1561. Die Argumentation, auf die Oudemans und Bosschag anspielen, findet sich allerdings erst in den Neuausgaben ab 1589 - siehe die folgende Seite.