Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1699-1763)
Ort Schwabach
Datum 16. Juni 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 181-184
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochWohlgebohrner, Gnädiger Herr !

Es ist bereits die dritte Woche, daß ich in diesem Jammernswürdigen und Seelen gefährlichen Zustand mich eingeschloßen sehen muß,[1] welcher gewißlich keinen Maleficanten, der das leben verwürckt hat, ärger widerfahren könte, ich werde nicht nur am leib sondern auch an der Seelen gequälet, welches das allerschmerzlichste ist, ich muß sehen, wie mein völliges Soaußhalten zu grunde gehen thut, weilen kein Mensch nicht da ist, der einer Arbeit vorsteht, ja ich sehe beÿ so gestalten Sachen nichts anders vor Augen, als mein und der meinigen völligen Ruin, also daß in die letzte nichts anders übrig habe, als den Bettelstab, wo es noch länger anhalten solte.

Ich habe ja gleich beÿ dem allerersten Verhör alles das meinige freÿ bekennet, und solches kan ja auch mit allen denjenigen, die damit zu thun gehabt, bekräfftiget werden, zum Überfluß will ichs noch mit mehrern Zeugen, die eines honetten und Ehrlichen Gemüths sind, belegen, damit Euer Gnaden sehen können, daß ich die Wahrheit nicht gespahrt, und daß ich unter all denjenigen der unschuldigste Theil bin, und doch am härtesten gestrafft werde. Euer Gnaden begehrn von mir ich solle mehrers bekennen, wie soll ich dann mehrers sagen, als ich weiß und gethan habe, waß die Beschreibung der Unterthanen anbetrifft, habe ich solche nicht hinaußgeschickt, sondern ich habe es zum ersten selbsten von Ihme bekommen, welches Hl: von Falckenstein und Hl: Kastner[2] in Schwabach nur gar zu wohl weiß, dadurch habe eben erfahren, daß solche der Haas[3] allhier vor das Geld abschreibt, und einem jedweden zukommen läßt, und dieses ist ja vorhin Ihro Gnaden Herrn Volckamer[4] bewußt, auf was für Art ich diese habe erhalten müßen, umb nicht in den Verdacht zu kommen, daß vor einen Verräther angesehen werde; Es ist ja überal bekandt, daß der Haas schon vor etlichen Jahren, ehe und bevorab ich jemahlen ein Wort davon habe reden hören, solche überahl vor das Geld abgeschrieben, ja es sind seine eigene Brieffe da von seiner Handschrifft die ebenfals Ihro Gnaden Hl: Volckamer in Handen haben, und warum soll ich dann jetzo eines andern Mißethat tragen, sol dann ich vor alle leiden;

Euer Gnaden werden also von mir armen betrangten, verfolgt und verlaßenen umb Gottes willen gebetten, diese Sache doch zu untersuchen, es wird sich in Wahrheit zeigen

[Blatt 182]
daß ich unter allen denjenigen der unschuldigste Theil bin, und ich allein muß so elendiglich leiden, daß mir das Hertz im Leib zerschmeltzen möchte, Euer Gnaden haben doch ein Erbarmen mit mir, meinem armen Weib und Kind, und verschaffe, daß meine elende Gefangenschafft ein Ende nimmt, damit wir nicht gar an den Bettelstab gebracht werden; Ich will alles, was Ein HochEdler Magistrat von mir praetendiert, auf das getreulichste und sorgfältigste außrichten, nur ersuche Euer Gnaden umb der 5 Wunden Jesu willen mich nicht länger zu quälen, damit nicht gar umb das ewige auch gebracht werde, ich weiß mir ohnehin, so wahr Gott lebt nicht mehr zu helffen, es wäre ja kein wunder nicht, daß in die größte Desperation verfiele, zumahlen ich alles beraubt bin, was zur Aufmunterung der Seelen und deß Gemüths gehört, ich bin von jedermann verlaßen, die Arbeit ligt darnieder, da doch jetzo Arbeit vorhanden, daß solle verfertiget werden, Euer Gnaden erbarmen sich über uns, und nehmen sich unser an, weilen sonsten keinen Menschen habe, es wird Gott Euer Gnaden und dero Hochadel: Familie zeitl: da vor seegnen, und ewig davor erfreuen; Ich will nicht mehrers begehren, als die Sache zu untersuchen, da sich dann zeigen wird, wer der unschuldigste Theil ist, ich habe niemand, zu deme einige Zuflucht nehmen solle, also komme ich nochmahlen und nehme diese zu Euer Gnaden und bitte fußfälligst mir aus diesem elenden und meiner Seele sehr gefährlichen Zustand zu befreÿen, ich werde nicht nur den lieben Gott anflehen für Euer Gnaden langes Leben, sondern auch allezeit in tieffster submission verharren

Euer Gnaden

den 16: Junij: 1733:

Unterthänigst Ergebenster
Johann Philipp Andreae
Mathematicus.

[Blatt 183]
P:S: Euer Gnaden wollen doch gnädigst erlauben, daß mit meinem Weib in Beÿsein deß Eisenmeisters sprechen darff, damit ihr doch wegen der Arbeit ein und das andere sagen kan, daß solche nicht gar verdirbt; und bitte mich nochmahlen zu befreÿen, damit meiner Arbeit prosequuieren kan, und Weib und Kind nicht gar betteln müßen;


Fußnoten

  1. Andreae war am Mittwoch, den 03.06.1733 verhaftet worden. Der 16. Juni 1733 war ein Dienstag, erst am 17. Juni wäre die dritte Woche seiner Inhaftierung angebrochen. Andreae zählt hier die Wochen einzeln: 1. Woche Montag, 1. Juni bis Sonntag 7. Juni; 2. Woche 8. Juni bis 14. Juni, womit dann der 16. Juni in der dritten Woche liegt.
  2. Von 1723 bis 1763 war der Kammerrat Conrad Stephan Zinn (1695-1763) Kastner von Schwabach. Petzoldt, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Mizler 1854, S. 136.
  3. Adolph Georg Haas wird 1732 im Verzeichnis der Beamten als Schreiber bei St. Elisabeth geführt. 1748 wurde er als Gerichtsschreiber bestattet: "Der Ehrnvest, Vorachtbar u: Rechtsgelehrte Adolph Georg Haas, E.H.E u: H. W. Raths am Ehrlöbl. Stadt- u: Ehe-Gericht wolverdienter Gericht-Schreiber, an der Fleischbrucken. ♂. d. 17. dit. [Dezember 1748], dreÿerl. St. Roch:", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 102 (Scan 106), Eintrag 107.
  4. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war seit 1704 Alter Genannter im Rat, 1708 wurde er Ratsbaumeister. 1713 wurde er älterer Bürgermeister, 1732 dritter Oberster Hauptmann. 1736 wurde er zum zweiten Losunger gewählt, 1744 wurde er vorderster Losunger.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 1060-1062
    Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.