Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Löffelholz, Johann Carl (1673-1756)
Ort Nürnberg
Datum 17. Dezember 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 371-374
Transkription Hans Gaab, Fürth

WohlGebohrner, Gnädiger Herr !

Anbeÿ sende einen Brieff ad perlegendum[1], so mir wieder außbitte, ich habe heute in Überfluß nach meiner wenigen Wißenschafft in Jure an beede Herren Volckamer[2] und Ebners[3] Wohlgebohrn und Gnaden gemeldet, wie ich ohnmöglich könne härter angesehen werden als der Stecher und Trucker, zumahlen da ich keine Hand angelegt, daß es aber stetigs heißet, ich hätte solcher hereingebracht, dieses streitet wider die Edle Wahrheit, dann hereinbringen und hereinsenden ist zweyerleÿ, das hereinbringen machete mir Erstlich mehr verantwortens, warum? weilen ich solche müste gehohlet haben, per expressum aber hereinsenden ist so weit von dem hereinbringen zu unterscheiden als der Berg Vesuvius von dem Berg Hecla in Island, und zudeme ist das hereinsenden nicht allein gewesen, sondern es war auch die ordre dabeÿ dem Bernd einzuhändigen, hätte der Commitent keinen Nahmen benennt, so hätte ich müßen erst einen Stecher suchen, da es vielleicht so ich zu einem andern können unterblieben wäre auf solche Art aber war die geweßene ordre beÿ der Commission dem Bernd zu geben, ich bin kein Verständiger von Zeichnen, habe auch damahlen nicht gewußt was es zu bedeuten, weilen keine buchstäbliche Erklärung dabeÿ war, warum hat der Bernd die Zeichnung verbessert, warum hat ers nicht stehen laßen, da Er unter währender arbeit ist gewarnt worden, da hätte ers mir sagen sollen, allein so hat Er das Maul gehalten biß Er sein Geld gehabt und die Arbeit fortgesandt gewesen, der trucker hat eben so viel gesündiget als der Bernd, mithin auch mehr als ich, welches ich heute deutlich genug probiert, Er ist vor 4. Jahren schon ebenfals in der Inquisition mit begriffen gewesen, wäre Sie damahlen abgestrafft worden, wie ich, so wäre gewiß alles unterblieben, aber zur selbigen Zeit hat es mich allein gegolten, und dieses mahl haben Sie gemeint, gehet es auch so, wie Sie sich dann gerühmet haben, als ich schon in Arrest war, wenn Sie citiert würden, so giengen Sie hinauff und verantworteten sich, etl: Tage wußten Sie wohl, daß Sie auf den thurn müsten, dann hätte die Sache ein Ende, so war ihre Einbildung daß der trucker mehrers Straffe werth als ich, wolte ich gar leicht mit Fundament deß rechtens probieren, so es nicht zu lang aufhalten thäte, solte es aber erfordert werden, will es allezeit thun: dieser ist noch ärger als der Bernd, und weit böser, welches zu bezeugen keine Kunst wäre. Daß mir meine Frau heute hinterbracht, wie Euer Wohlgebohrn und Gnaden gesagt, ob ich dann meine, daß diese 29: wöchige=harte und in der Christenheit wegen der vielen Teuffelsgespenster nicht erhörte Gefangenschafft eine Straffe seye, hierüber müste ich wohl verzweiffeln, wo ich nicht wüste daß es nicht ärger zu erdencken wäre, außer man müste mir das leben nehmen, welches ich mit gutem Willen und ohne Furcht deß Todes freÿwillig hingebe, lieber als noch länger leiden,

[Blatt 372]
und offeriere mich hiermit diesen Augenblick gerne zu sterben, ich aestimiere es nicht, dann Resoluta mors vita miserabili vel terribili potior[4]: Es stehet EHE: Rath das leben allermindestens zu diensten, seelig est injuriam poti quam ferre. Ich weiß daß ich nach allen Göttl: und weltl: Rechten, wann man auch cassianum Judicium expercieren wolte genugsame Straffe erlitten, hierüber laß ich alle Hl: Hochgelehrte in der gantzen Christenheit urtheilen, alle responsa academica werden mir nicht mehrer Straffe auflegen als ich bereits gelitten, besonders wo Sie die wahrhaftigen Umstände davon erhalten, ich bin auch in der Welt herumgereiset an vielen hohen Höffen ich habe Gott lob auch gesehen und gelernt, was zu meiner Wenigkeit gehört[?], dahero mit rechten erstaunen angehört, daß ich hören müßen, daß dieses noch keine Straffe seÿe, mir zweiffelt, daß beÿ der spanischen Inquisition die Leuthe so lange sind gemartert worden, dann so einem Menschen das leben geraubet wird, kommt Er dadurch aller sorge und Jammer loß, durch langes eincarcerieren aber, besonders wie ich in einer Kofferschachtel sitze, wo der Satan mit seinen Phantasien nächtl-weile seine Residenz aufgeschlagen, wird der Mensch nur lange gequälet, mithin ist es beßer bald das Leben quittieren können, als unter Christen solche Marter außzustehen:

Wohlgebohrner Gnädiger Herr, ic weiß daß es einig und allein an meinen Hhl: Schöpfen gelegen, welche die Sache treiben und auch aufhalten können, habe Sie noch eine wenige Gnade, so laßen Sie einige Tröpflein fallen und ertheilen solche, beÿ diesem herannahenden Geburtsfest, welches ein jeder Christ mit Freuden erleben solle, damit ich samt den meinigen auch dieser Freude theilhafftig werde, und Euer Wohlgebohrn und Gnaden in Freÿheit zu dem Feÿertag Glückwünschen können, Sie werden alsdann von dem Andreae erfahren, daß Er gleichwohlen derjenige nicht ist, wovor Er von einer bö=

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sen und Ehrvergeßenen Rotte ist denunciert worden, ja ich werde zeigen, daß ich im stande bin in gar vielen vielleicht wichtigen zu dienen, und in Erwartung einer erfreulichen Antwort in tieffster Submission verharre

Wohlgebohrner Gnädiger Herr
dero

é Carcere den 17: Decembris
1733.

Unterthänigst-Ergebenster
Joh: Philipp Andreae
29: Wochen Gefangener

P:S: N.J.
Ich muß doch meine unverständige Meinung Euer Wohlgebl: und Gnaden überschreiben, wegen des truckers, stechers und mir ein wenig zu sehen, wer der ärgste ist; gesetzt nun, ich hätte es hereingebracht, wiewohl es deme nicht so, durch dieses hereinbrigen wäre keine solche offentl; Verletzung daraus entstanden, sonder es wäre hier geblieben, wie alle andern geschriebenen pasquillantische Verse; der stecher hätte es gestochen, wie Er es jetzo gemacht. Durch dieses Stechen wäre auch keine solche weitläufige Sache worden, und das zehende hätte es wegen deß theuren Preises nicht gekaufft, auch die Erklärung nicht einmahl leßen können, weilen es verkehrt gestochen, diese 2: actos wären stetigs noch in statu quo geblieben, und würde nicht landkündig worden seÿn, ob es gleich stadtkündig wäre gewesen, wie alle andern Pasquillantische Verse, jezt kommt der dritte der trucker, dieser hat deß vermeinten hereinbringens (: wie wohlen es mit der Wahrheit nicht überseintimmet :) und deß dunklen Stiches (: ratione der verkehrten Schrifft :) die gantze Sache deutlich abgeschildert, und exprimiert durch seinen truck, welche ein jedes Kind leßen konte, dadurch auch zuweg gebracht, daß mans in andere länder verschicken können. Jetzt fragt sichs? ob der vermeinte Hereinbringer, oder stecher, oder der Trucker der ärgste seÿe, ich glaube, wann man Responsa Academica einhohlete, so würde der Trucker vor den ärgsten gehalten, ich gestehe es, beÿ einer solchen Dissertatione Juridica zwischen 2: Professoribus möchte ich einen Auditorem abgeben, ich versichere, daß Sie mir Beÿfall gebeten.


Fußnoten

  1. ad perlegendum: zum Durchlesen.
  2. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war Ratsherr und Triumvir. Vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1592.
  3. Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752) diente seit 1700 dem Rat der Stadt Nürnberg.
  4. Resoluta mors vita miserabili vel terribili potior: Ein entschlossener Tod ist einem elenden oder schrecklichen Leben vorzuziehen.