Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Johann Philipp Andreae (1699-1760)
Empfänger Die Herren Ältere
Ort Nürnberg
Datum 10. Oktober 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 221-226
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochWohlgebohrne, Gnädige Herren.

Beati misericordes, quoniam ipsi misericordiam consequentur.[1] Der Evangelist Matthäus beschreibt in seinem fünfften Capitel neun absonderliche Seeligkeiten, wodurch die Menschen solche erlangen könnnen, worunter auch die Sanfftmuth und Barmherzigkeit begriffen. Hoch Wohlgebohrne Gnädige Herren, der Ruhm, welcher sich fast in dem grösten Theil Europae von dero Gnade, Sanfftmuth und Barmhertzigkeit außgebreitet, scheinet fast an mir armen Elenden und Todtkrancken zu verlöschen, weilen auf mein schon vielfältiges Ächzen, Seuffzen und Weheklagen noch keine Gnade und Barmhertzigkeit erlangen können, dahero mich nochmahlen unterfange in tieffster Demuth mit diesen Zeilen zu erscheinen, und zu bitten mir für diesesmahl mein begangenes Unrecht zu vergeben, und Gnade für Recht widerfahren zu laßen, nachdeme es schon biß in die 20: Wochen[2] in einem düstern elenden Gefängnus, welches, so sich die liebe Sonne verkriechen thut, und unter die Wolcken verbirget, eher Cassidem Plutonis[3] vorstellen thut, sehr hart eingeschloßen gehalten werde, zumahlen da ich, wann in agone lige nicht einen Menschen zu Gesicht bekomme, der einig nur einen Tropfen Wassers reichete, welches ohnehin schon sieben gantzer Wochen meine Speiß und Tranck gewesen, wie es die verpflichteten Eißenmeisters Leuthe, so sie anderst ein Gewißen haben, aÿdl: aussagen werden, worüber sie zu befragen sind, was ich seit 7: Wochen genoßen; Wann dann nun HochWohlgebohren Gnädige Herren beÿ diesen Elenden Zustand nicht länger dauren kan und vermag, so bitte hiermit nochmahlen umb deß gekreutzigten Jesu Christi willen da der elende Leib ohnehin schon seinen gantzen Rest hat, doch nur der Seele, welche von unserm Heÿland Jesu Christo so theuer verkaufft worden, zu schonen, daß diese nicht auch samt dem elenden Leibe verderben, ich schreibe es nicht aus Anstellung oder Verstellung, sondern Euer HochWohlgebohren und Gnaden laßen ein gantzes Corpus Medicum den Augenschein einnehmen, so wird es sich zeigen, daß ich nicht vergebens geseuffzet und lamentiert, ich muß mich beÿ längerer Anhaltung wider meinen Willen und Vorsatz meines elenden Lebens selber berauben, weilen vor Schmertzen und Jammer nichts mehr außzustehen vermag; die Eisenmeisters Leuthe[4] werden auch dieses selbsten gestehen müßen, wann sie anderst einen Christl: Blutstropfen in ihrem Leibe haben, indeme mich dieser schon zum drittenmahl in agone angetroffen; Ich komme also mit diesen demüthig und fußfälligsten Bitten nochmahlen für Euer HochWohlGebohrn und Gnaden und bitte mir einige Gandenblicke angedeÿhen zu laßen, damit die Seele einigen Trost bekommen möge, ich will es mit unterthänigsten Danck erkennen, es seÿe auch die geringste Gnade; ich bitte fußfälligst mich entweder zu befreÿen, oder nur zu denen meinigen zu laßen, damit einige Nacht haben möge, ich will 2: Ehrliche Bürger zu Caventen[5] stellen, oder Euer Hoch WohGebohrn und Gnaden stellen vor mein Bette zu Hauß eine Wacht hin, so wird sichs zeigen, daß mit keinem Menschen kein einziges Wort zu reden begehre, ist aber dieses mir nicht zu wilfahren, so werde ja hoffentlich noch so viel Gnade übrig haben, daß mir Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden das Leben freÿ nehmen laßen, damit die Seele gerettet, und ich nicht vor Schmertzen und Jammer selbsten Mörder an mir werden darff, weilen ich länger dieses außzustehen nicht im stande bin; Es soll mir eines wie das ander große Gnade seÿn.

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Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden wollen aber doch Gnädigst geruhen, und nachfolgende Puncten zu mehrerer Einsicht ad liberandum nehmen, welche mir jetzo schon in dreÿ biß 4. Verhören stetigs vorgeruckt und als ein Crimen vorgehalten werden, weilen selbige nicht gleich gestanden, und melde ich solches mit Übereinstimmung gründl: Wahrheit

1.) Daß mir der Brieff von der Hanckin[6] Truckerin von der Stadt am Hoff beÿ Regenspurg so übel interpretiert wird und beÿ dem letzten Verhör vorgeruckt wird, daß solchen negiert, kan ich mich gar nicht begreiffen, wo dann ein Crimen darauß zu nehmen, erstl. wird die Hanckin nicht mit gutem Gewißen sagen können, daß Sie jemahlen einer Zeile von mir zu Gesicht bekommen, so lange Sie und ihr Mann gelebet, außer daß ich den von dem Hahn[7] empfangenen Zettul dem Botten übergeben, daß er selbigen sehen solle laßen, ob ihr diese Sachen anständig, weilen mich der Hahn zum öfftern inständig darum gebetten, ist aber dahero keine folge, daß ich mit Ihr correspondiert, warum aber die Hanckin mir einen Brieff gesandt, muß einzig und allein die Ursache seÿn, weilen die botten vor einen offenen Zettul kein Porto bekommen, mithin muß Er die Hanckin selbsten gebetten haben, einen Brieff zu schreiben, damit er seinen bottenlohn eher fordern dörffe, wird aber dieser mir in der Verhör producierte Brieff mit gleichgültigen Augen eingesehen, so ist dieser zu meiner Defension und nicht zur Condemnation, und ist darauß gar bald zu sehen, daß ich selbsten Gespräch im Reich der Todten[8] durch den botten von Ihr begehrt, indem sie außdrücklich meldet, Sie könne keines verschaffen, bevorab Sie entweder Manuscript oder ein gedrucktes Stuck habe, und dieser Brieff ist geschrieben, ehe und bevorab einmahl daran gedacht worden, beÿ dem Glücken[9] in Schwabach etwas von diesem zu unternehmen; von den andern Bögen, so die Hanckin gemeldet, daß Sie 8 xr. pro Bogen geben wolle, da bezihe mich auf den Hahn, der mir diesen Zettul eingehändiget, hätte man aber aus diesem Brieff argwohnen wollen, als wann ich vorhero schon mit ihr correspondiert, so defendiret mich mit gutem Gewißen, nicht nur die Hanckin selbst, sondern auch der Bott, die Hanckin laut ihres brieffs, indem Sie schreibt, Sie hätte von dergleichen Sachen schon vieles mithin wann ich mit ihr correspondiert hätte, würde ich nicht den gantzen Zettul, sondern nur diejenigen Piecen extrahiert haben, welche Sie noch nicht gehabt. Der Bott aber wird mit seinem aÿd bekräfftigen und mich rechtfertigen können, daß Er mir von jedem daselbst edirten Bogen anfängl; 6: am Ende aber 2: biß 3: Bogen mitgebracht, und weißt dieser auch gar wohl, daß mein Lebtag weder mit dem Hancke selbsten noch mit der Wittib keine Correspondenz gehabt, mithin ist eine gründl: und mit der Wahrheit übereinstimmende Defension, weilen diese mit Zeugen so authentisch zu belegen ist.

2.) daß aber das Gespräch im Reich der Todten beÿ dem Glücken habe anfangen zu schreiben, so habe in meinen Verhören schon gemeldet, wie ich in diesem Stuck nur gesucht habe, ihn vertraulicher zu machen, seine geheime Correspondenz von ihm zu erfahren, weilen ja ohnehin bekandt, daß unius rei plures esse possuat fines,[10] dieses aber ist daher gekommen, daß man etl. mahl von hier aus, wie er mir dann einen Brieff von dem Doctor Lemmermann[11] wie auch von dem Kilian[12] Gewürtzkrämer selbsten gewiesen, an ihne geschrieben, und obiges Gespräch von ihm begehrt, so sagte Er hierauff, ob man dann keines machen könne, gab ich ihme zur Antwort, ja ich wolte ihme eines machen, da ich doch, wie bekandt weder ratione Historiae noch Genealogiae im stande bin, die von mir extrahierte Partes zu diesem Gespräch habe ich nicht ex capite meo sondern ex Scriptis huis ipsissimus et impressis, deren er einen ziemlichen Vorrath besitzet, mithin dieser mir vorgehaltene und beÿ dem Verhör mir vorgestellte Punct von sich selbsten fället, nemlich wie der Glück leichtl: noch jemand hätte finden können, der ihm dieses Gespräch elaboriert, weilen ich vieles dazu contribuirt; allein er hat nicht nöthig gehabt diese excerpte erst von mir zu

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erfahren, weilen alles auß seinen eigenen Sachen herausgezogen, mithin wann Er jemand gehabt hätte, würde er meine extract nicht gebraucht haben, sondern ein Literatus in hac materia hätte sich seiner eigenen Schrifften bedienet, worauß ich solche gezogen, so würde er ohne meine Excerpta zum stande gekommen seÿn, daß ich aber solches in der gehabten Verhör negiert, habe ich freÿlich Unrecht, allein ich habe auch gleich in derselbigen Stunde, wie es das Datum noch zeigen wird, diese Affaire so viel mir noch davon bewußt war, schrifftlich aufgesetzt, und es einem hohen Ort übergeben laßen, welches mich auch einiger maßen wider excusiert, absonderlich da nicht das geringeste zum Vorschein gekommen.

3.) das dritte Vorstellen die Pasquillantische Medaillie betreffend, dieses ist freÿlich leider Gott Erbarmens mein höchstes Versehen und Unrecht, daß nach deß unglückseeligen Glücken gegebener schrifftl. ordre solche verfertigen laßen, und auf deßen begehren nach seinem eingesandten Brieff spediert; daß aber diese so lange geläugnet, habe schon öffters in denen Verhören auch schrifftlich gemeldet, daß niemand anders als der Kupferstecher Bernd schuld daran, weilen er sich Sonntags vor meiner einhaftierung verlauten laßen, er gestehe es nicht, wann man Ihm auch 10: Wochen einsperre, und wann Er mir unter das Gesicht gestellet würde, so laugne ers doch, mithin habe auch zu meinem grösten Unrecht mir zum grösten Schaden gelaugnet, hingegen bin auch schon beÿ 20: gantzer wochen in einem harten Gefängnus an Leib, Gemüth und bereits schon etl: Wochen an der Seelen gestrafft worden, wann ich aber dabeÿ bedencke, daß der Kupferstecher und Trucker[13] nach denen natürlichen Rechten, so ein jeder Juris Consultus erkennen wird ärger zu straffen, und mehrer Schuld hat, als ich, so gehet es mir eines theils sehr tieff zu Hertzen, daß der Trucker bereits schon beÿ sieben Wochen auf freÿen Fuß, und nicht länger als 5: Wochen und etl: Täge eincarceriert gewesen,[14] mithin denen Seinigen wider ein Stück Brod verdienen könne, und seine Nahrung nicht wie beÿ mir, leider Noth gelitten, da Er doch ebenfals Hand angelegt, und gar wohl samt seinem Weibe gewußt, daß es eine gefährliche böse Sache ist: Dahero ich nochmahlen die Umbstände mit gründl: Wahrheit repetieren will, zwar dieser wegen weilen mir beÿ allen Verhören vorgeruckt wird, ich hätte ihn animiert diese Medaillie zu trucken, so bin ich mein Gewißen zu salvieren genöthiget, meine gerechte Defension hiemit Euer Hoch Wohlgebohrn und Gnaden zu überschreiben; wie habe ich den Trucker dann animieren können und sollen, da ich vorhero kein Wort weder böses noch gutes mit Ihme gesprochen, ich habe 2: Probtrucke durch den Bernd von ihme erhalten, ehe ich ihn und sein Weib dieser Medaillie wegen besprochen, das Weib hat das Päckl: so der Glück gesandt und noch uneröffnet war, beÿ mir in meinem Hauße abgehohlt, da ich nun deß andern Tages samt dem Bernd zu Ihme gekommen, hat Er bereits schon beÿ 100: Abtruck gemacht gehabt, da muß der Bernd gewißenhafft reden, daß ich ihne weder animiert, noch Schänd= und Schmähwort, wie er gottloser und boßhaffter weiße schrifftlich von sich gegeben, von mir hören laßen, so auch meines thuns nicht ist zu schänden und schmähen, als uns die truckerin ihres Mannes sagen nach einen Truck von diesen ersten zu dem Herrn Amtmann getragen, und dieser ihne warnen laßen, Er solle sich in acht nehmen, wie er nach der Hand mir und dem Bernd erzehlet, hat er mit gantz deutlichen Worten gesagt, und wann zehen tausend Teuffel darauff stünden, welche die Herren deß Raths zerreißeten, so trucke ers doch; Jetzt fragt sichs, ob ich ihn animiert, diese letzten böße Worte geben genugsam

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an den Tage, daß er keines animierens gebraucht, und überdiß hat er ja selbsten, da er den 31: Julij: freÿtags nachmittags mit mir confrontiert worden,[15] gestanden, ich hätte ihne nicht animiert, ist dann sein eigen Geständnuß nicht gültig genug mich von diesen Vorwurff, das animieren betreffend, zu liberireren, wann es auf Lügen, Lästern, Verleumden und verstellen ankommt, wie der Kupfertrucker und sein Weib bereits nebst dem Kupferstecher mir gethan, ich hätte es auch trefflich gekönnt, allein so habe ich die Umstände alle mit Grund der Wahrheit entdecket und gemeldet, keinem nichts zu lieb und leÿd dabeÿ gemeldet; beÿ der Truckerin nimmt es mich zwar kein Wunder nicht, daß Sie nichts als Böses über mich zu ihrem nutzen redet, allein wann man dabeÿ bedencket, daß Deus et natura nihil frustra faciunt[16], und rothe Haar auch rother Bart selten eine gute Art sind, so muß es auch beÿ dieser eintreffen, warum hat dann diese so vortreffliche Vorschläge und Rath von dem Doctor Geiger[17] bekommen, daß Sie mir sagen solle, Sie hätte es getruckt, und nicht ihr Mann, da doch Sie kein Blättl. davon getruckt, wie viel wird sie dann behalten und verhausiert haben ihrer Gewohnheit nach, indeme ich kein stuck gezehlet, sondern wie nun solche der Glück gesandt, wider zuruck gegeben, und daß ihr Mann in seinen Verhör vorgegeben, Er könne nicht lateinisch leßen, ich habe kein lateinisches Wort in der Medaillie gesehen aber teutsch mit lateinischen Buchstaben kan nicht nur der trucker, sondern auch seine Frau leßen und schreiben, und hat ja dieser trucker die Application selbsten dem Bernd dagegen gemacht, dannoch haben diese die größte Gnade, wann ich mich gleich hätte verstellen oder tumm anstellen wollen, ich hätte es auch gar wohl gekonnt, und wann es auf Lügen wäre ankommen wolte mir auch trefflich geholffen haben, allein man hätte mir eines so wenig als das anderer geglaubt und ich hätte auch keine solche Gnade nicht erhalten als wie der Trucker, sondern das einzige Verlangen und Begehren ist nichts anders gewesen, wie ichs selbsten habe anhören müßen, wann man nur mich gravieren könne. Gott erbarme sich über mich und gebe mir Gedult: daß aber der Kupferstecher und trucker von denen Herrren Schöpfen[18] Wohlgebohrn und Gnaden hierdurch defendirt wird, hingegen ich nur einig und allein graviert, sie hätten deß Gelds wegen gearbeitet, ich aber hätte es hereingebracht, so antworte ich wider mit Wahrheitsgrund auf das erstere, daß der Kupferstecher 3 fl: der Kupfertrucker 50: xr: der Andreae hingegen 30 xr. vor seine commission gehabt, welches der Glück selbsten, so er anderst ein Gewißen hat, attestieren muß. Wer hat aber dem Trucker vor die bößen Worte von 10000. teuffeln bezahlt, hier wird er schwerlich von jemand belohnet seÿn worden, daß ich aber diese Medaillie solle hereingebracht haben, dieses wird mir kein Mensch in der gantzen Christenheit mit gutem Gewißen sagen können, sondern es hat mir der Glück die Zeichnung, durch eine alte Bottin nahmens Berbel, so alle wochen 2: biß 3: mahl hereinkommt, gesandt mit order solche dem Bernd verfertigen zu laßen, welchen Brieff auch der Bernd selbsten geleßen, mithin habe ich solche nicht hereingebracht, sondern man hat mir diese in Commission gesandt. Der Kupferstecher wird noch weniger mit gutem Gewißen sagen können, daß nur das geringste animo ihme

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gemacht, oder einige Versprechungen gethan, weilen damahls nicht 10: Wort mit ihme gesprochen, sondern Er hat gleich zur antwort gegeben, er wolle solches machen, hat auch das Kupferblättl: und alles dazu geschafft, in Summa, ich habe nichts davor gethan, als die unglückseelige ordre doch ervüllt, daß aber dieser in seinem Verhör vorgegeben, ich könnte die Leuthe bezaubern, daß Sie thun müsten, was ich wollte, dieses wäre mehr zu wünschen, wann es ohne Verletzung deß Gewißens seÿn könte, als zu reden, gewiß wann dieser hierinnen die Wahrheit geredet hätte, so würde ich ohne Anstand alle meine hefftigen Feinde, Verfolger und Haßer zu lauter Freunden bezaubert haben. Diese 2: Complices delicti ermahnen mich just, als wie diejenigen, die in puncto sexti vel septimi [19] wider Gott im Himmel gesündiget haben, werden Sie ihrer Sünden wegen zur Rede gesetzt, so wollen sie ihr gethanes Unrecht beschönen und sagen, der Teuffel hätte sie dazu verleitet, sie gedencken aber dabeÿ nicht, daß ihr bößes Hertz, Fleisch und Blut, so an und vor sich selbsten schon verderbt, daran schuld, eben also wollen Sie mich dem Teuffel ähnlich machen, und nur beede mit gutem Wißen und Vorbedacht wieder die Götter der Erde gesündiget, ohne daß ich daran schuld bin; so geben sie dannach mir, der ich in ihren anjetzo geöffneten Augen der Teuffel seÿn muß, die schuld und sagen ich hätte sie verleitet, allein sie gedencken ebenfalls nicht, daß ihr gantzes Hertz, thun und laßen voller Boßheit, Schalckheit und Falschheit gesteckt, wie ich das von diesen beeden complicibus ein Sprichwort erfahren, welches ich mein Lebtag vorhero nicht gehört habe; ich will es melden wie sie es sagen; ich laße mich sengen, brennen, Riemen aus dem Leibe schneiden, und doch nichts gestehen dieses sind dieser beeden ihre worte, und dannach geben sie vor, der Andreae habe sie animiert, wollte Gott, ich wäre zu dieser bösen Rott nicht gekommen, ich wäre in keinem solchen elenden und Seelen gefährlichen Zustand.

HochwohlGeborne, Gnädige Herren, dieses habe nochmahlen gewißenhafft und zu fernerer dijudicatur auch einstellen wollen, umb die Wahrheit zu erforschen, daß ich in vielen gesündigt, weiß ich nur gar zu wohl, ich habe es auch erkennet, bekennet, bereuet und beweinet, ich habe auf dieses wehmüthig fußfälligste dringliche Bitten die Hoffnung, daß mir wie Maria Magdalena auch viel Sünden vergeben werden, ich habe wie bereits schon in meinen 2: vorigen gemeldet, nun nichts mehr in meinem Herzten, welches im geringsten schädl. oder böß wäre, dahero bitte meine Seele zu erretten, daß sie nicht gar verderbe; der Elende Zustand, der ohne Erbarmen nicht mag angesehen werden, kan von den Eisenmeisters Leuthen mehr in Erfahrung gebracht werden, wann Sie nach Christenpflicht reden wollen, die Speiße und Nahrung gehet nicht mehr, der leib wird matt, die Schmertzen nehmen tägl: auch stündl: zu, und kan solche nicht mehr ertragen, und wo es ja an der jetzigen Straffe nicht genug wäre, so laßen mich Eure Hochwohlgebohren und Gnaden einige Tage außruhen beÿ den meinigen, umb mein Wort zu haben, so werde ich jederzeit nach dero selbst eigenen Verlangen wider mich in Gehorsam zeigen. Ich werde auch nun und nimmermehr etwas widriges tentieren, sondern mit unterthängsten gehorsamsten Respect ersterben

Euer Hochwohlgebohrn und Gnaden

é Carcere den 10: Octobris: 1733:

bittlich seuffzender
Johann Philipp Andreae.


Fußnoten

  1. Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
  2. Andreae war seit dem 03.06.1733 inhaftiert.
  3. Cassidem Plutonis: der Helm des Pluton, wobei Pluton der Gott der Totenwelt war, der einen Helm hatte, der Unsichtbarkeit verlieh.
  4. Die Eisenmeisterin Barbara Teufel hatte am 8. Februar 1698 den Rotschmied Johann Georg Teufel geheiratet: "Der Ers. Hans Georg Teufel, Rothsch., des Ers. Georg Teufel Pfragner u. Ballenbünders E. S. die T.S. Barbara, des Ersamen Georg Schmid, Scheibenz. E. T. d. 8. Febr. [1698] im Tagamt cop.", Trauungen St. Sebald 1692-1727, S. 129 (Scan 66), Eintrag 9. Der Ehemann starb 1719 als "Rothgießer in der Katharinen Gaß" (Bestattungen St. Lorenz 1703-1741, S. 200 (Scan 173)), bei der Heirat seines Sohnes Johann Leonhard wurde er aber als "Rothgießer u: Verleger, wie auch Eisenmeisters in dem Männer-Eisen&auot; bezeichnet. Barbara Teufel sprach 1734 von ihrem "21. jährigen Dienste", somit hat sie ab 1713 als Eisenmeisterin gearbeitet, dies wahrscheinlich anfangs neben ihrem Mann, eine Tätigkeit, die sie nach dessen Tod weiterführte: Vgl. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-3, Bl. 114. 1719 war ihr Sohn erst 13 Jahre alt, er ist also sicherlich erst später Eisenmeister geworden.
    Johann Leonhard Teufel (1707-1759) war am 27.10.1707 getauft worden: "Joh. Georg Teuffel, Rotschmid, Barbara, Johann Leonhard, Jäger, Junggesell, Joh. Wolf. Jäger Bleÿstiftmachers E. Sohn. 27. [Oktober 1706]", Taufen St. Lorenz 1697-1716, S. 300 (Scan 155), Eintrag 10. Am 26.02.1759 wurde er auf dem Johannisfriedhof bestattet: "Der Erbar u: Kunsterfahrene Johann Leonhard Teufel, Kupferstecher u: Prison-Meister, beÿ der Heuwaag [Vordere Insel Schütt]. ☽ d. 26. dit. [Februar 1759] [...] St. Joh.", Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 273 (Scan 192), Eintrag 31. Bereits bei seiner Heirat am 27.05.1749 wurde er als Kupferstecher und Eisenmeister bezeichnet, Trauungen St. Lorenz 1737-1789, S. 277 (Scan 213), Eintrag 76. Zu J.L. Teufel siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2008, S. 1528.
  5. Caventen: Bürgen.
  6. Der Buchdrucker Johann Franz Hanck in Stadtamhof (Regensburg) ist 1732 gestorben. Seine Witwe Maria Apollonia führte die Druckerei bis 1738 weiter.
  7. "Johann Hahn, Burger und Corporal unter der hiesigen alten Mannschafft, ein Weib und 5. Kinder habend, und 58. Jahr alt", Verhör vom 19.10.1733. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 232.
    Der Proviantmeister Johann Hahn wurde am 09.05.1749 bestattet. Seine Ehefrau Elisabetha wurde am 12.05.1754 bestattet, dabei wurde ihr verstorbener Mann als "Proviant-Meisters unter dem General-Hölzlischen Regiment" bezeichnet. Bestattungen St. Sebald 1741-1754, S. 335 (Scan 201); St. Lorenz 1742-1789, S. 193 (Scan 152).
  8. Von 1718 bis 1738 verfasste David Fassmann (1685-1744) Gespräche in Dem Reiche der Todten.
  9. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  10. unius rei plures esse possuat fines: Eine Sache kann mehrere Ziele haben.
  11. Christoph August Lemmermann (1684-1742) war Ratskonsulent und Dichter. Vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 2. München: Saur 2007, S. 876.
  12. Am 25. März 1768 wurde der am Kornmarkt wohnende Spezereihändler Peter Kilian im Alter von 83 Jahren bestattet. Stadtarchiv Nürnberg: E 8 Nr. 2334 / 10; Bestattungen St. Lorenz 1742-1789, S. 433 (Scan 274).
  13. Der Drucker war Abraham Brennauer (Bronauer, Brünauer). Laut seines ersten Verhörs am 18.07.1733 war er 35 Jahre alt, wohnte in der Katharinengasse, war verheiratet und hatte ein Kind. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 35.
    Er hatte am 12.02.1725 geheiratet: "d. 12. Febr. [1725] Der Ers. Abraham Brunnauer, Kuferdrucker, des Ers. und Kunstr. Eberhard Brunnauer, Messerschmidts Ehel. [Sohn] die Tugendsame Jgfrl. Anna Catharina, des Ers. Georg Hofmanns, Rothgießers und Verlegers Ehel. Tochter. Frühmeß", Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 970 (Scan 599). Am 06.01.1727 wurde die Tochter Maria Magdalena geboren, Taufen St. Lorenz 1713-1735, S. 108 (Scan 54).
    Zu ihm siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 185.
  14. Der Drucker war am 18.07.1733 inhaftiert worden, kam aber gegen Kaution bereits am 21.08.1733 wieder frei.
  15. Das Protokoll der Konfrontation findet sich im Staatsarchiv Nürberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 95.
  16. Deus et natura nihil frustra faciunt: Gott und die Natur machen nichts umsonst.
  17. Thomas Geiger (1692-1739) war seit 1726 Advokat in Nürberg, wurde aber erst 1731 mit einer Disputation Licentiat in Altdorf. Vgl. Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexicon, Band 1. Nürnberg 1755, S. 519.
  18. Die Schöffen waren Karl Sigmund Ferdinand Grundherr und Johann Carl Loeffelholz
    Karl Sigmund Ferdinand Grundherr (1694-1763) war seit 1731 jüngerer Bürgermeister. 1732 wurde er Rugherr, wobei das Rugamt für die Handwerker der Stadt zuständig war. Als jüngerer Bürgermeister hatte er auch abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 485-491
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
    Löffelholz (1673-1756) wurde 1733 jüngerer Bürgermeister, womit er abwechselnd mit anderen das Schöffenamt zu versehen hatte, d.h. er war für konkrete Strafuntersuchungen zuständig, in diesem Fall also für Andreae, wozu er u.a. die Verhöre im Männereisen führte.
    Fleischmann, Peter: Rat und Patriziat in Nürnberg (= Nürnberger Forschungen 31/2). Neustadt a.d. Aisch: Schmidt 2008, S. 689
    Stadtlexikon Nürnberg. Nürnberg: Tümmels 2000, S. 946 (Verfasser: Walter Bauernfeind).
  19. In puncto sexti vel septimi: Gemeint sind das 6. und 7. Gebot.