Briefwechsel Johann Philipp Andreae


Kurzinformation zum Brief  
Autor Andreae, Johann Philipp (1699-1760)
Empfänger Grundherr, Carl Sigmund Ferdinand (1694-1763)
Ort Nürnberg
Datum 31. Juli 1733
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 101-103
Transkription Hans Gaab, Fürth

WohlGebohrner, Gnädiger Herr!


Euer Wohlgeborn und Gnaden wollen doch umb Gottes willen die andern Persohnen abhören lassen, damit doch diese Sache einen endl: außgang gewinnen möge, dann wann Bernd und Brennauer[1] sich tägl; miteinander unterreden können, so werden Sie mit außflüchten die gantze schuld auf mich allein werffen wollen, allein ich sage nochmahlen, daß es die gründl: wahrheit ist, was ich dieser unglückseel. Medaillie wegen außgesagt, ich habe am wenigsten daran gethan, der Bernd hat solche wohl 10: Tag unter seinen Händen gehabt, der Bernnauer selbsten daran getruckt, solte dann diese in so langer Zeit nicht nachgedacht haben, daß es eine so gefährl: Sache, ich habe diese kaum etl. minuten in meinen Händen gehabt, als dann gleich dem Bernd übergeben. Der Bernd hat gar wohl gewußt, daß es vor den Glücken[2] gehört, wie auch sein Vatter.[3] Und wird der alte Bernd sagen können, daß der Glück Ihme gemeldet, in diesem Cabinet seÿe sie zusammen geschmidet worden; Ich wolte gar gern den Autorem, Delineatorem[4] anzeigen, wann ich solches wüste, es wird der Glück als mein ärgster Feind selbsten gestehen müssen, daß ich keine Wissenschaft davon gehabt, und Er mir solches auch niemahlen offenbahrt; habe also nachmahlen in Unterthänigkeit zu bitten, die untersuchung dieser Sache, damit sie zu einem außgang gelangen möge. Was aber die andern an dem Rathhauß angeschlagne Pasquille anlangt, worüber ich von dem Eisenmeister und der Eisenmeisterin eine solche Qual außzustehen habe, daß kein Wunder wäre, wann ich beÿ ohnedem schon biß in den Tod betrübten Gemüth in Verzweiflung käme; ich wolte nicht mehrers wünschen, als daß solches offenbaren könte, ich bin versichert, daß von einem HochEdlen Magistrat noch eine Gnade zu gewarten hätte; Gewiß ists, daß der Bernd ist von jemand wegen der Medaillie gewarnt worden, da Er diese unter handen gehabt, wer es aber gewesen, weiß ich nicht, sondern es wird dieses der Bernnauer sagen können, den Trucker hat ebenfalls der Junker amtmann gewarnt, allein Er hat nur solches nicht eher entdeckt, als biß die Sache völlig fortgeschickt gewesen, sonsten hätte ich solches alles ehender verbrennet; Es kan keiner mit grund der wahrheit sagen, daß Ihme animiert habe, oder ein geringstes zugeredt, sondern sie habens freÿ ohne bedencken angenommen, zumahlen der Brennauer die Probtrucke gemacht, ehe und bevorab ich mit Ihme ein Wort gesprochen.

Ich habe aber nun nichts weiters übrig, als beÿ Euer WohlGebohrn und Gnaden fußfälligst, und um das Blut Christi willen zu bitten, für mich armen Gefangenen beÿ Einem gantzen HochEdlen Rath zu intercedieren, daß noch diesesmahl Gnade für recht mir widerfahren möge. Ich komme wie der verlohrne Sohn und sage mit höchst bedauertem hertzen, ach ich habe gesündigt, ach leider gesündiget im Himmel und vor Einem Hochlöbl. Magistrat; Sünde verdienet zwar Straffe, straffe habe ich verdienet, ach leider. War bis hinfort nicht wohl werth, daß ich mich dero Burger nenne. Jedoch habe ich die Hoff=

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nung, daß weil mir Gott meine schwehre sünden vergeben, und mich durch diesen Jammer und Noth recht zur wahren Erkäntnis gebracht hat, welches ich gewiß in meinem Gewissen versichert bin, so werde ich von Einem HochEdlen Magistrat auch noch diesesmahl Gnade erlangen, ich habe meine Sünden Gott bekennet, meine begangene groben Fehler hingegen Einem HochEdlen Magistrat, ich habe auch diese mit Vergiessung viel tausender Trähnen bereuet. Ich solte wohl den tag und die stundt verfluchen, in der ich mit dem unglückseeligen Glücke bin bekandt worden, ach wolte Gott, ich wäre dazumahl, als dieser unglückseel: Brieff, worinnen diese ärgerl, Med:[aillen] Zeichnung war an mich addressirt worden, etl. hundert Meilen von hier entfernt gewesen, so dörffte ich jetzo mein Unglück (: worin ich mich zwar unbedachtsamer weise gestürtzet:) und mein armes Weib und Kind beweinen. Ich ruffe, ich flehe Euer Wohgebohren und Gnaden mit gantz reumüthigen und halb zerbrochenen Herzten an, sie bitten für mich, Sie tragen meinen Jammer und Noth vor, daß ich nicht zuschanden werde, ich gelobe vor Gott und der heÿl. Dreÿfaltigkeit Gut und blut zum dienst Eines HochEdlen Magistrats aufzuwenden, ich will tag und nacht mit meinem armen Weib und Kind, Gott in brünstig anflehen, daß Er Einen HochEdlen Magistrat für den vielen innerlichen feinden gnädigst bewahren woll, ich weiß und bins versichert, daß Gott unser Gebett in allen Qualen erhören werde.

Paulus war vorhero ein Saulus und ein feind Gottes, Er war aber nach seiner bekehrung sein außerwähltes rüstzeug, ich werffe mich hiemit als ein bekehrter Paulus zu den füssen Eines HochEdlen Magistrats, und bitte flehentl: nur meinen blinden und unerkandten, anjetzo aber mit vielen Thränen bereuten Eiffer um das Blut Christi willen zu vergeben, mir Gnade widerfahren zu lassen, ich erbiete mich zu allen, es mag Nahmen habe, wie es immer will, nach dem Willen und befehl Eines HochEdlen Magistrats mein leben einzurichten, und in allen diensten mit aufopferung leib und leben mich gebrauchen zu lassen. Ich werde taglebens Eine solche grosse (:zwar unverdiente:) Gnade für allen Menschen mit meiner Zunge rühmen, und biß in mein Grab mit allen Ersinnlichen und unterthänigsten Respect verbl.

Euer WohlGebohrn und Gnaden

biß in den tod betrübter

é Carcere den 31: Julij: 1733.

Johann Philipp Andreae
Mathematicus.


Fußnoten

  1. Laut seines ersten Verhörs am 18.07.1733 war der Kupferdrucker Abraham Brennauer (Bronauer, Brünauer) war 35 Jahre alt, wohnte in der Katharinengasse, war verheiratet und hatte ein Kind. Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 35.
    Er hatte am 12.02.1725 geheiratet: "d. 12. Febr. [1725] Der Ers. Abraham Brunnauer, Kuferdrucker, des Ers. und Kunstr. Eberhard Brunnauer, Messerschmidts Ehel. [Sohn] die Tugendsame Jgfrl. Anna Catharina, des Ers. Georg Hofmanns, Rothgießers und Verlegers Ehel. Tochter. Frühmeß", Trauungen St. Lorenz 1664-1736, S. 970 (Scan 599). Am 06.01.1727 wurde die Tochter Maria Magdalena geboren, Taufen St. Lorenz 1713-1735, S. 108 (Scan 54).
    Zu ihm siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. München: Saur 2007, S. 185.
  2. Johann Paul Glück stammte aus Reichelsdorf. Im Verhör vom 19.10.1733 sagte Andreae über ihn, es "wäre eine bekannte Sache, daß dieser schon 4. Jahre mit dem Zollwesen, von denen hier abgehenden Kaufmanns Güthern, umgehe, auch lange Zeit alle Sonnabend hier gewesen seÿe und obacht gehabt habe, was von dergleichen abgeführet worden." In den Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calendern für 1747, 1748 und 1754 wird er als ist er als Zoll-Commissarius verzeichnet. Falckenstein verzeichnet ihn 1740 als Zoll-Inspector und 1756 als "Zoll-Commissarius von 4. Ober=Aemtern". Glücks Tochter Sybilla Helene kaufte 1764 um 6600 Gulden das Haus in der Königstraße 2 in Schwabach. Auch hier wurde der Vater als Zollkommmissar bezeichnet. Nach Schuhmann war er von 1765 bis 1770 Oberzollkommissar in Schwabach.
    Verhör Andreae, 19.10.1733, Staatsarchiv Nürnberg: Ratskanzlei-A Laden A 155-2, Bl. 239
    Dehm, Karl; Heckel, Gottlob: Häusergeschichte der Altstadt Schwabach. Schwabach 1970, S. 256
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1740, S.28
    Falckenstein, Johann Heinrich: Chronicon Svabacense. Schwabach: Johann Jacob Enderes 1756, S.83
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1747, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1748, S. 55
    Hoch-Fürstlich Brandenburg-Onoltzbachischer Address- und Schreib-Calender. 1754, S. 62
    Petzold, Johann Wolfgang: Chronik der königlich bayerischen Stadt Schwabach. Schwabach: Theodor Mizler 1854, S. 139
    Schuhmann, Günther: Die Deliciae topogeographicae Noribergenses und ihre Verfasser. Jahrbuch für fränkische Landesgeschichte 19 (1959), S. 493.
  3. Conrad Berndt (14.09.1683-06.03.1739), der Vater von Johann Christoph Bernd, war Spiegelmacher.
  4. delineator: Zeichner.